Die Sparkasse Radevormwald-Hückeswagen und die Volksbank im Bergischen Land möchten die Entwicklung von Wohnraum und Gewerbeflächen in die Region gemeinsam vorantreiben und haben dafür gemeinsam die „Bergische Projektentwicklungsgesellschaft“ gegründet. Die Vorstände beider Kreditinstitute unterzeichneten den Vertrag Ende Oktober.
Ob Einfamilienhaus, Single- oder barrierefreie Wohnungen: Der dringende Bedarf an Wohnraum ist im Bergischen überall zu spüren. In den vergangenen Jahren wurde zu wenig gebaut, das hat die Wohnraumbedarfsanalyse für den Oberbergischen Kreis festgestellt. Das muss sich ändern, finden die neuen Projektpartner – für die jetzige Bevölkerung und für Fachkräfte von außerhalb, die in den Unternehmen in der Wirtschaftsregion Radevormwald, Remscheid und Hückeswagen schon jetzt fehlen. „Gerade Einfamilienhausgrundstücke sind ein qualitativer Standortfaktor für die Personalrekrutierung der lokalen Wirtschaft. Aufgrund des knappen Angebotes rennen die Preise den Einkommen davon, wenn überhaupt etwas zu bekommen ist “, sagt Dorothea Stabolewski, Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Radevormwald-Hückeswagen.
Nicht zuletzt stellt die Wohnungsnot auch ein wirtschaftliches Risiko für die gesamte Region dar: „Das Oberbergische ist eine Boom-Region“, sagt Lutz Uwe Magney, Vorstandsmitglied der Volksbank im Bergischen Land. „Damit das so bleibt, müssen die dringend benötigten Fachkräfte auch hier wohnen können.“ Für Dorothea Stabolewski liegt der Schlüssel zur Lösung der Wohnungsnot in privater Hand. Sie spielt damit auf die Tatsache an, dass vier von fünf Wohnungen in Deutschland von den Eigentümern selbst bewohnt werden und zukünftig von Privatpersonen oder auch verstärkt von Unternehmen, den Arbeitgebern, vermietet werden könnten. „Für diese Investoren brauchen wir eine Art „Willkommenskultur“ bei Politik, Gemeinden sowie auch den Einwohnern“, sagt die Sparkassenvorsitzende. Zum einen müsse auch die künftige Generation die Chance bekommen, genügend Eigenkapital für den Erwerb der eigenen vier Wände anzusparen. Zum anderen dürften die privaten Vermieter nicht in einen Topf geworfen werden mit internationalen Finanzinvestoren: „Aus aktuellen Modernisierungsumfragen der deutschen Bausparkassen wissen wir, dass die große Mehrheit der Mieter ihrem privaten Vermieter bescheinigt, dass dieser Haus und Wohnung sehr wohl in Schuss halte“, unterstreichen die Bankmanager aus Radevormwald und Remscheid.
„Beim Thema 'Wohnungsmarkt' konzentriert sich die Diskussion meist einseitig auf die Metropolen“, stellen die beiden fest. „Doch auch im Bergischen ist der Wohnungsmarkt inzwischen sehr eng.“ In allen Segmenten – von Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern über Wohnungen mit besonderen Anforderungen wie Barrierefreiheit oder für einkommensschwache Menschen – bestehe Bedarf. Auch hier möchte die neue Bergische Projektgesellschaft ansetzen. Als Partner der öffentlichen Hand und der regionalen Wirtschaft möchte sie Wohn- und Gewerbeimmobilienprojekte in der Region begleiten und entwickeln. Die beiden Partner bringen dabei ihr fachliches Know-how und über lange Jahre gewachsene Netzwerke ein.
„Das Oberbergische entwickelt sich wirtschaftlich und demografisch exzellent. Insofern geht es an der Realität vorbei, wenn man sagt, dass wir als Region keinen Wohnungsneubau benötigen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir schrumpfen nicht. Das einzige, was schrumpft, ist das verfügbare Bauland“, sagt Lutz Uwe Magney. In vielen Rathäusern in anderen Regionen stapelten sich die Baulandanfragen für Einfamilienhäuser, die nicht befriedigt werden können. Es stimme eben nicht, dass es alle jungen und gut ausgebildeten Menschen in die Großstädte zieht. „Dort werden sie aber hingehen, wenn wir ihnen hier kein attraktives Wohnraumangebot machen können“, fasst Magney die Wechselwirkung zwischen Wirtschaftswachstum und Wohnraumentwicklung für die Region zusammen.
Die weitere Zunahme der Single-Haushalte treffe zudem auf einen sich nur langsam verändernden Wohnungsbestand. Allein im Zeitraum 1995 bis 2017 sank im Oberbergischen die durchschnittliche Personenzahl pro Haushalt von 2,71 auf 2,26 Personen. Das schlage sich in der Nachfrage nieder: „Den stärksten Druck im Markt sehen wir bei kleinen, barrierefreien und bezahlbaren Wohnungen. 70 Prozent unserer Mietinteressenten sind Ein- und Zwei-Personen-Haushalte“, bestätigt Dorothea Stabolewski die Erkenntnisse. Jeder zweite Nachfrager in NRW bekomme einen Wohnberechtigungsschein, im Seniorenbereich sind es rund 80 Prozent. Für Singles liegt die Einkommensgrenze bei 30.000 Euro pro Jahr, für Familien mit zwei Kindern bei rund 55.000 Euro. „Die Zahl der einkommensarmen Haushalte ist im Bergischen zwar vergleichsweise niedrig, trotzdem wird die Verfügbarkeit von Wohnungen für Haushalte, die sich nicht selbst am Markt versorgen können, angesichts des vorhandenen Wohnungsdefizits und der Einkommensstagnation bei einem Teil der Haushalte auch in der an sich recht wohlhabenden Region ein wichtiges Thema bleiben“, unterstreicht Dorothea Stabolewski.